Das Typisieren von Menschen ist nicht nur für Geheimdienste interessant – es hilft auch im beruflichen Alltag

Herr Wasserwinkel ist ein korrekter Arbeiter. Seine Aufgaben erfüllt er mit Sorgfalt. Er sucht seinen Arbeitsplatz pünktlich auf und beginnt den Tag stets mit denselben Ritualen. Frau Sonne-Wohlgemut hingegen erscheint auf den letzten Drücker. Ab und zu verspätet sie sich – und ist um eine Ausrede nie verlegen. Der Kommunikationscoach Robert Körner beschreibt im folgenden die Typisierung von Menschen und wie dies im Alltag, aber auch von Geheimdiensten genutzt wird.

Was bringt die Zuordnung von Menschen?

Menschen zu kategorisieren und in Schubladen zu stecken, fällt uns unwahrscheinlich leicht. Eigene und übermittelte Erfahrungen werden zu Vorurteilen. Diese erleichtern uns den Umgang mit anderen. Sie sind sozusagen eine Abkürzung im Labyrinth des Miteinanders, was aufwendiges Kennenlernen und Analysieren abkürzen soll. Das spart Arbeitsspeicher im Gehirn und damit Energie. Vorurteile erleichtern uns auch, schneller zu entscheiden, mit wem man den Kontakt sucht und bei wem sich eine zeitliche Investition nicht lohnt. Kleidungsstil, Statussymbole und die berufliche Position versprechen uns, Menschen typisieren zu können und dadurch Einblick zu gewinnen in die Motiv- und Persönlichkeitsstruktur jedes Einzelnen. Die Wissenschaft allerdings ist über diesen Punkt längst hinaus. Im Fachjargon wird von Profiling oder Typologie gesprochen: In der Kriminalistik dient es der Erstellung von Täter- und Bewegungsprofilen. Werbeagenturen optimieren damit das spezifische Kundenprofil. Die Personalwirtschaft gleicht durch Profiling das Stellen- und Kandidatenprofil ab. Und Partnerbörsen versprechen dadurch, den Partner fürs Leben zu finden.

In den letzten Jahrzehnten sind viele Methoden entwickelt worden, sich und andere zu orten. Sie werden für die psychologische Beurteilung angewendet, wenn es darum geht, etwas über sich selbst zu erfahren. Hilfreich ist das zum Beispiel für Führungskräfte. Denn über einen besseren Zugang zur eigenen Persönlichkeit findet sich ein Weg, andere besser zu verstehen und gleichzeitig Kommunikation oder Teamarbeit zu optimieren.

Wie funktioniert die Zuordnung nach wissenschaftlichen Methoden?

Zunächst wird die individuelle, charakterliche Ausprägung ermittelt. Dabei wird zum Beispiel berücksichtigt, ob man eher extravertiert oder introvertiert ist, ob man eine Entscheidung eher analytisch oder an moralischen und persönlichen Werten orientiert trifft. Ergebnis ist ein Präferenzmodell der Persönlichkeit. Es lässt sich in einem Koordinatensystem mit vier unterschiedlichen Typen darstellen: Löwe, Schildkröte, Hase und Papagei. Daraus lassen sich dann Motive und Verhalten ableiten, aber auch Bereiche der Persönlichkeit, die vom Be- troffenen nicht wahrgenommen werden und Entwicklungsfelder.

In der Praxis finden sich allerdings meist Mischformen der vier Prototypen. Insofern geht es darum zu erkennen, welcher Typ die Persönlichkeit am stärksten beeinflusst. Herr Wasserwinkel zählt zum Beispiel zu den Schildkröten. Zwischenmenschliche Kontakte spielen für ihn eine untergeordnete Rolle. Frau Sonne-Wohlgemut stellt den Konterpart dar, was erklärt, warum die beiden nur schwer zueinanderfinden.

Woran erkennt man den Prototyp, wenn man jemanden erstmals trifft?

Jeder Typus benutzt verschiedene mimische und gestische Regeln, um sich mitzuteilen. Bei der Schildkröte lautet der Leitsatz: „Behalte die Kontrolle.“ Seine Mimik erscheint monoton, starr und wenig facettenreich. Diese „Null-Mimik“ wird manchmal von Zeichen der Aversion und Angst durchsetzt. Die Stimme ist monoton, langsam und kommt bewusst zum Einsatz, ohne große Emotionalität. Seine Worte wählt die Schildkröte mit Bedacht, was zu Sprechpausen und Füllwörtern führt. Die zurückgenommene Körpersprache wirkt schnell distanziert, nachdenklich und kühl.

Auch bei der Sprachstruktur ergeben sich wiederkehrende Muster. Die Sätze der Schildkröte sind teils sehr lang und verschachtelt. Er spricht als passiver Part und fragt viel nach. Er muss die Dinge erst analysieren und verstehen können und verhält sich daher eher abwartend. Wenn er von zukünftigen Projekten spricht, dann in Konditionalform: Wir würden, könnten oder sollten. Dabei bezieht er sich eher auf Objekte. Er spricht oft über Prozesse, Ziele und Systeme. Wenn er über Personen spricht, dann eher mit unpersönlichen Pronomen wie „sie“ oder „man“, was auch dazu führen kann, dass diese zu Objekten und Bestandteilen von Prozessen werden. Die Kenntnis solcher Muster erleichtert die Zuordnung von Menschen.

Und wie reagiere ich am besten auf den jeweiligen Typen?

Der eigene Sprachgebrauch sollte auf den jeweiligen Typus angepasst werden. Das hilft, bestmöglich in Kontakt mit seinem Gegenüber zu kommen, empathisch zu kommunizieren und überzeugend zu sein. Stellen Sie sich vor, Sie müssten Herrn Wasserwinkel vom Kauf eines Smartphones überzeugen. Würden Sie ihm kurz von der großen Flexibilität des trendigen Gerätes und den kreativen Einsatzmöglichkeiten erzählen, um optimal die sozialen Kontakte zu pflegen? Oder würden Sie ihm detailliert die Funktionen des Gerätes erklären, stichhaltige Kundenzufriedenheitsstudien aufzeigen und ausführlich über Garantie und Qualität des Handys berichten? Die Antwort ist klar. Dabei sind die Mechanismen immer die gleichen, egal ob man ein Smartphone oder eine Immobilie verkauft bzw. erwirbt. Die Kenntnis über die Persönlichkeitsstruktur meines Gegenübers und das punktgenaue Eingehen auf diese, erleichtert so manche Verhandlung.

Robert-Koerner