Gibt es für Sie beim Thema Immobilien nur eine Strategie? Haben Sie nur eine Finanzierungsquelle? Oder kennen Sie nur ein mögliches EXIT-Szenario? Dann sind für Sie Probleme früher oder später unvermeidlich.
Bei Immobilien-Investments gilt die Regel: Die Zahl 1 ist Ihr Feind! Die Zwei bedeutet Beschränkung; die Drei bedeutet Freiheit! Die meisten Anleger kennen jedoch nur eine einzige Strategie.
Strategien bei Investments
Eine einzige Strategie zu bemühen kann für eine gewisse Zeit sehr erfolgreich sein. Ändern sich die Bedingungen am Markt, wird diese Strategie aber oft zum Bumerang und der gesamte bis dahin erzielte Gewinn verflüchtigt sich innerhalb kurzer Zeit.
Vor dem Kauf gründlich über alle möglichen Strategien/Strategiemixe nachdenken und diese möglichst schriftlich notieren.
Es gibt eine Vielzahl verschiedener Investmentstrategien am Markt: Der eine schwört allein auf das Wohnen in Großstädten, der andere auf Investments in Mittelzentren, der Dritte auf Gewerbe (mehr Vertragsfreiheit statt gesetzlicher Regelungen). Der eine konzentriert sich ausschließlich auf Objektaufteilung, der andere sieht die einzig richtige Marktchance im Erwerb von Mehrfamilienhäusern mit langfristiger Vermietung. Der Nächste kauft Immobilien aus Zwangsversteigerungen, renoviert und verkauft an Kapitalanleger weiter.
Nochmals: Es gibt nicht die eine stets richtige Strategie. Es ist ein wesentlicher Vorteil für einen echten Investor, viele Strategien, deren Vorteile und Risiken zu kennen und diese Strategien entsprechend der Marktlage und des Objekts sowie des Finanzierungshintergrunds anzuwenden.
Als Grundregel für Investoren darf zudem gelten: Bevor(!) eine Immobilie eingekauft wird, sind bereits mehrere EXIT-Szenarien für die Immobilie gefunden worden. Stehen für ein Mehrfamilienhaus (MFH) z.B. die drei Optionen a) kaufen und halten, b) „flip“ (Weiterverkauf an einen anderen Investor) oder c) Aufteilung und Verkauf an Eigennutzer bereit, so ist ein Strategiewechsel jederzeit relativ einfach möglich. Und die Gefahr, in eine nicht mehr selbst bestimmbare Situation zu kommen ist äußerst gering.
Flexibilität
Wer jedoch eine Immobilie aus rein steuerlichen Gründen kauft, ist an dieses eine Szenario meist fest gebunden und hat keine eigenen Alternativen parat. Wichtig ist also: vor dem Kauf gründlich über alle möglichen Strategien/Strategiemixe nachdenken und diese möglichst schriftlich notieren. Das schafft Sicherheit und hilft Probleme im Voraus zu erkennen.
Will man sich als Immobilieninvestor am Markt betätigen, ist grundsätzlich die Frage zu beantworten:
Ist „Geldfluss heute“ (Cash-Flow Today) meine Grundintention oder der langfristige und stetige „Geldfluss morgen“ (Cash-Flow Tomorrow)?
Investoren, die noch über kein wesentliches Eigenkapital verfügen, ist mit einer Cash-Tomorrow-Strategie wenig geholfen, wenn man sich die Strukturen und Risiken derer anschaut. Mag sich ein Objekt auch noch so gut „morgen rechnen“, so muss man auf jeden Fall in der Lage sein, Risiken zu erkennen und diese auch finanziell zu schultern. Für jemanden mit sehr guter finanzieller Ausstattung kommen (neben Cash-Flow-Today-Investments) die Cash-Flow-Tomorrow-Investments infrage, denn – neben steuerlichen Gründen – müssen Verdienste wieder in sinnvolle Assets investiert werden.
Bereits hier zeigt sich: Investmentstrategien basieren auf verschiedenen Faktoren der persönlichen (vor allem) finanziellen Situation, dem Erfahrungshintergrund, der Risikoausrichtung, auf rechtlichen und steuerlichen Aspekten sowie der gesamtwirtschaftlichen Lagebeurteilung.
Bei Investments in der Praxis, findet man meistens ein Mix aus zwei oder mehreren Investmentstrategien. Hinzu kommen unzählige Varianten aufgrund der unterschiedlichen Präferenzen und Backgrounds der Investoren.
Schauen wir uns einige Basisstrategien und ihre Wirkungsweise sowie ihre Vor- und Nachteile genauer an.
Strategische Invests
Ein strategischer Investor konzentriert sich auf die mittel- und langfristige Wertsteigerung der Immobilie. Diese selbst wird nicht am Objekt, sondern über die Entwicklung des Objekt- oder des Marktumfelds erreicht. Hierbei handelt es sich also um eine Cash-Tomorrow-Strategie.
Bezogen auf das Objektumfeld kann beispielsweise die (durch Zahlenmaterial belegbare) Annahme im Vordergrund stehen, dass ein Gebiet einen gewissen positiven Shift (Wechsel) hinsichtlich der Bewohnerstruktur hat und haben wird. Ein weiteres Beispiel könnte die Verlängerung von Trassen der öffentlichen Verkehrssysteme (S-Bahn, Autobahn) darstellen oder die Anbindung von Gebieten an diese. Allein die Erweiterung eines S-Bahn-Netzes um drei Stationen in das Umland oder der Bau von Autobahnausfahrten hat einen deutlichen Einfluss auf die Wertentwicklung lokaler Investments. Profi-Investoren sind in der Lage, die Wertentwicklung von Grundstücken rund um diese neue Trasse bereits bei der ersten politischen Projektinitiierung, nach echtem Baubeginn sowie nach Fertigstellung einzuschätzen. Außerdem kann die zeitliche Entwicklung der Kaufpreise betrachtet werden, gemessen in 400-Meter-Radien um die neuen Haltepunkte.
Immobilienpreise von vor zehn, 30 oder 50 Jahren klingen heute märchenhaft niedrig, waren jedoch gemessen an der realen Kaufkraft oft ebenso hoch wie sie heute sind.
Die Einschätzung der Entwicklung des Marktumfelds basiert unter anderem auf der Analyse der nachfolgenden Faktoren: dem Bevölkerungszuzug und -wegzug, der Altersstruktur, der relativen Sicherheit und der Entstehung von Arbeitsplätzen (in den verschiedenen Wirtschaftszweigen und Einkommensgruppen), den lokalen Bedingungen vor allem für Familien mit Kindern, der Anzahl von Neubauprojekten und deren Wertigkeit sowie den Instandhaltungsaufwendungen für die vorhandene umliegende Bausubstanz. Investoren führen hierzu Untersuchungen durch und kennen die Zahlen – sie verlassen sich nicht auf Gefühle und Empfehlungen.
Fixing-up-Invests
Eine Fixing-up-Investition entspricht eher der eines klassischen Unternehmens: Assets von einem geringen Nutzungslevel werden durch Aufwertung auf ein höheres Nutzungslevel gebracht. Objekte werden nachsaniert oder renoviert und mit neuen interessanten Details ausgerüstet. Ist die Basis solide, lässt sich vor allem durch optische Gestaltungsmaßnahmen der Gesamteindruck nachhaltig aufwerten. Somit lässt sich bei (Neu-)Mietern eine höhere Akzeptanz erzielen, mehr Miete zu zahlen. Beispiele für Fixing-ups sind die Neugestaltung des Eingangsbereichs in einem Bürogebäude, die Umgestaltung der Gartenanlage eines Hauses, die Neugestaltung der Bäder und Fußböden oder die Anbringung spezieller Beleuchtungen.
Buy- and Sell-Invests
Buy-and-Sell-Investoren kaufen Objekte zumeist von unter Druck oder Zwang stehenden Marktteilnehmern (Zwangsversteigerungen, Bankenverwertungen, zerstrittene Erbengemeinschaften etc.) und verkaufen diese ohne wesentliche Änderungen am Objekt an andere Marktteilnehmer (z.B. Eigennutzer, Kapitalanleger). Für Investoren können auch Einzelobjekte zu Objektpaketen gebündelt werden oder in die entgegengesetzte Richtung Objektpakete von Investoren gekauft und wieder zerteilt werden. Das Verdienstpotenzial hierbei besteht also nicht in Änderungen am Objekt, im Umfeld oder der Marktentwicklung selbst, sondern in der Ansprache verschiedener Marktteilnehmer
(Verkäufer, Käufer) aus unterschiedlichen Marktebenen mit ihren jeweiligen Präferenzen oder Bedürfnissen.
Classic Buy and Hold
Beim Classic Buy and Hold werden –ähnlich dem strategischen Investment –Objekte eingekauft und mehr oder weniger langfristig gehalten. Im Unterschied zum strategischen Investment wird jedoch nicht auf eine besondere Marktentwicklung gesetzt, sondern mit einer normalen nachhaltigen Marktentwicklung kalkuliert. Wichtig sind Berechenbarkeit und ein zeitnaher positiver CashFlow durch Mietanpassungen. Der Mieter zahlt mit seiner Miete dann die Kreditzinsen und alle Nebenkosten. Für den Investor bleibt noch ein wenig Überschuss.
Was hier bei typischerweise kreditfinanzierten Objekten eigentlich passiert, ist jedoch keine echte Aufwertung des Objekts an sich. Sondern der Wert/Gewinn des Investments wird durch die inflationsbedingte Erosion des Kreditwerts erzeugt.
Langfristig gibt es immer ein bestimmtes, mehr oder weniger festes Verhältnis von Immobilienwert zu Einkommen/Mieten oder anderen Investmentgütern. Immobilienpreise von vor zehn, 30 oder 50 Jahren klingen heute märchenhaft niedrig, waren jedoch gemessen an der realen Kaufkraft oft ebenso hoch wie sie heute sind.
Würde man ein solches Investment ausschließlich mit eigenem Geld schultern, wäre zwar der Geldwert nach vielen Jahren höher, jedoch bliebe der reale Wert weitgehend derselbe. Zur Illustration: 1 Unze Gold kostete 1900 weniger als 20 Dollar, heute etwas über 1000. Die Kaufkraft ist – gemessen in realen Gütern – die gleiche geblieben, der Wert des Dollars ist um 98 Prozent erodiert. Mit den Themen Finanzierungen und Wirkungen von Geldmarktsystem/Krediten beschäftigen wir
uns zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal ausführlich.
Umnutzungsinvests
Dieser Investmenttyp handelt zumeist auf Grundlage einer eine Cash-Today-Strategie. Es werden bereits bestehende Objekte erworben, entsprechend des neuen Geschäftszwecks bzw. der neuen Nutzerverwendung umgebaut und anschließend vermietet oder verkauft.
So lässt sich beispielsweise aus einem leerstehenden Ladengeschäft in einem Wohn-und Geschäftshaus guter Lage wieder eine Wohnung herstellen. Aus einem Bürogebäude kann ein Studentenwohnheim entstehen, aus Ackerland kann Bauland entstehen, aus einem ehemaligen Fabrikgebäude werden Wohnlofts. Die Konvertierung in die andere Richtung – aus Wohnungen werden Büros – konnte oft in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung beobachtet werden. Sie ist auch häufig in Villenvierteln zu beobachten, wenn in Wohnhäuser Büros, Praxen oder Kanzleien einziehen.
Deal-Controlling-Invests
Bei dieser Strategie wird seitens des Investors das Immobilienobjekt nicht erworben – jedoch die vollständige Kontrolle darüber für einen bestimmten Zeitraum erlangt. In Deutschland bzw. Europa ist der Handlungsspielraum hierfür per Gesetz deutlich eingeschränkt, aber es ist nicht unmöglich. In den USA und Kanada sind solche Strategien jedoch Tagesgeschäft. Hierzu wird u.a. folgende Vorgehensweise (nur in Kurzform dargestellt) verwendet:
Auf eine bestehende Immobilienofferte schreibt ein Investor ein Kaufangebot und übersendet dieses rechtsverbindliche Dokument an den Verkäufer oder dessen Makler. Das Kaufangebot kann dann abgelehnt werden und ist damit vollständig erloschen oder wird ohne Änderungen angenommen. Der Verkäufer muss seine Immobilie vom Markt nehmen und darf sie innerhalb von einer gesetzlich geregelten Frist von zumeist 14 Tagen an niemanden verkaufen. Nach dieser Prüfungsphase folgt an-schließend der notarielle Kaufvertragsabschluss – meist innerhalb von sechs Wochen. In den ersten zwei oder mehr Wochen erlangt also der Kaufinteressent faktisch die vertragliche Kontrolle über das Objekt – ohne hierin mit eigenem Geld zu investieren (ggf. hat er eine recht kleine Sicherheitssumme zum Nachweis seines Kaufwillens hinterlegt).
Natürlich ist auch der Käufer zum Abschluss des Kaufvertrags verpflichtet, doch hier gibt es einen entscheidenden Faktor: In seiner Kaufofferte kann er verschiedene feine Bedingungen
(Prüfungen am Objekt vor Ort, Genehmigungen, technische Inspektionen usw.) für seinen Erwerb einbauen. Hierbei kommt es sehr auf regionale Vorschriften an, welche Bedingungen zulässig sind und wie sie gestaltet werden können. Da aber der Käufer bzw. dessen Makler das Angebot nur annehmen oder ablehnen kann – muss er die enthaltenden Bedingungen also ebenfalls akzeptieren – oder insgesamt ablehnen. Profi-Investoren schreiben Offerten so, dass sie aus dem Deal nach 14 Tagen wieder aussteigen können – und haben somit 14 Tage Zeit, das Objekt rechtssicher an einen anderen Käufer zu veräußern.
Eine andere Variante ist, ähnlich dem Aktienmarkt, eine Kaufoption für ein Objekt abzuschließen. Hierbei verpflichtet sich der Verkäufer rechtswirksam, auf Verlangen des Kaufinteressenten, ihm das Objekt zu einem späteren Zeitpunkt zu einem vorher vereinbarten Preis zu verkaufen. Als Gegenleistung wird zumeist eine Gebühr vereinbart, die dem Verkäufer einen Zusatzgewinn beschwert oder ihm die wirtschaftliche Weiterführung seines Objekts überhaupt ermöglicht. Unter Umständen kann statt einer Gebühr auch eine Garantie abgegeben werden, die keinen direkten monetären Vorteil für den Verkäufer darstellt.
Optionen
Bei allen beschriebenen Vertragsvarianten kann mit einer sogenannten „subject-to“-Regelung gearbeitet werden. Hierbei wird dem Käufer das Recht eingeräumt, den Vertrag direkt an einen Dritten zu übertragen. Somit können u.a. Rechtskosten gespart werden – und eine Zwischenfinanzierung für den „mittleren“ Investor entfällt.
In Deutschland unmöglich? Zuerst scheint es so, dass bedingt durch die gesetzlichen Regelungen hier nichts Vergleichbares anwendbar ist. Auf den zweiten Blick können insbesondere Optionsstrategien notariell so umgesetzt werden, dass das gewünschte wirtschaftliche Ergebnis zustande kommt. Ein bisschen Kreativität und der richtige Partner helfen dabei.
Zusammenfassung
Die Kenntnis mehrerer Strategien erlaubt es dem Investor, einerseits in jeder Marktlage Geschäfte erfolgreich zu tätigen oder bei sich ändernder Marktlage frühzeitig die nötigen Schlüsse für seine Bestände zu ziehen. Zum anderen hat man für ein konkretes Investment mehrere Alternativen der Verwertung, was die Wahrscheinlichkeit eines profitablen Geschäfts ganz wesentlich erhöht und Risiken/Verluste deutlich minimiert.
Ausblick
Im nächsten Teil der Serie gehen wir auf verschiedene Investmentformen ein und beschäftigen und noch einmal mit der Grundhaltung von professionell agierenden privaten Immobilieninvestoren. In Teil 4 geht es um Finanzierungsoptionen, die Wirkung von Kredit und Inflation sowie um die Verhandlung mit Banken. Teil 5 bespricht die Organisation des Akquiseprozesses, Biet- und Verhandlungsstrategien und die Zusammenarbeit u.a. mit Maklern.
Foto: danr13
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von Jörg Winterlich
Jörg Winterlich, Management Consultant, ist ehemaliger Gründer und Vorstand der FlowFact AG. 2007 verkaufte er seine Anteile und arbeitet derzeit an neuen Vorhaben. E-Mail: contact@jwmc.de