Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Angehende Investoren scheitern häufig an der Finanzierungfrage. Doch das kann verhindert werden.
Viele Menschen glauben, sie könnten nicht in Immobilien investieren, denn dazu benötige man viel Geld. Hierin verstecken sich zwei grundlegende Missverständnisse.
Missverständnis 1: Es heißt „Investieren“, nicht „Kapital anlegen“.
Die Begriffe Investment und Kapitalanlage werden im Alltag oft unbestimmt und zum Teil missbräuchlich verwendet. Im Grunde geht es um zwei völlig verschiedene Dinge: Der Anleger „parkt“ sein Geld in einer Immobilie und erwartet dafür eine bestimmte Rendite oder zumindest einen verlässlichen Schutz vor Inflation. Der Investor erwirbt eine Immobilie, um sie zu entwickeln. Der Investor spekuliert auf einen höheren Wert der Immobilie in der Zukunft und ist bereit, dafür auch gewisse Risiken einzugehen. Kapitalanleger erwerben eine Immobilie zumeist nicht wegen der Immobilie selbst, sondern wegen eines Nebenbenefits wie z.B. der Steuerersparnis durch Abschreibungen oder dem Schutz vor Inflation.
Missverständnis 2: Geld ist nur bei Banken verfügbar.
Geld für Investmentprojekte ist in der Regel aufzutreiben – auch wenn viele das nicht glauben. Bei Immobilienfinanzierungen denkt man zunächst an die klassische Bankenfinanzierung. Und wenn Banken nicht finanzieren, geben viele bereits auf, obwohl es eine Reihe anderer Finanzierungsinstrumente gäbe. Die Ursache für die Aufgabe oder warum viele oft mit zum Teil erheblichem Aufpreis finanzieren: Die überwiegende Mehrheit derjenigen, die eine Finanzierung benötigt, bereitet sich nicht, nicht ausreichend oder gar zu spät vor.
An dieser Stelle möchte ich einen mir bekannten Vermittler für private Finanzierungen, Mark del Guercio, Spitzname „Mister-Vier-Prozent“, zitieren: „Geld ist nicht unser Problem. Es ist mehr Geld da, als sich die meisten Menschen vorstellen können. Unser Problem ist es, die richtigen Investoren für die passenden Projekte zu finden.“ Selbst Makler, Verwalter und Gutachter, also die Personen, für die Bauprojekte das tägliche Brot sind, nutzen diese Geldquellen, auf die wir später eingehen werden, oftmals nicht.
Wenige Makler besitzen Investment-Immobilien
Die meisten Personen in der Immobilienwirtschaft sind gute Dienstleister. Doch nur etwa zehn Prozent aller Makler, Verwalter und Gutachter besitzen eigene Immobilien-Investments. Sie sind häufig Jahre und Jahrzehnte im Geschäft und sitzen sozusagen an der Quelle. Warum bauen sich 90 Prozent dieser Dienstleister trotz guter fachlicher Voraussetzung nicht selbst einen Bestand an Investment-Immobilien auf?
Ein häufig genannter Grund: „Ich kann nicht in Immo bilien investieren, denn dazu benötigt man viel Geld.“ Zum Investieren benötigt man aber vor allem die richtige Grundhaltung. Oder anders formuliert: Fehlendes Geld ist nur ein Zeichen dafür, dass man die vorhandenen Geldquellen nicht nutzt – man steckt also in einer selbst verschuldeten Finanzierungsklemme.
Die nachfolgende Aufstellung gibt eine Übersicht über die acht häufigsten Gründe für Finanzierungsprobleme von Investoren:
- Zu wenige Kontakte zu Finanzierungsquellen
- Nicht die richtigen Ansprechpartner im Finanzbereich
- Unterlagen, die das Investmentprojekt nicht adäquat darstellen
- Unpassende Strategie und unpassendes Geschäftsmodell bezogen auf das aktuelle Projekt
- Fehler beim bisherigen Aufbau des eigenen Portfolios
- Deal nicht ausreichend ausgearbeitet, Profitabilität wird nicht deutlich
- Credit-Score fehlerhaft
- Unzureichendes Timing/der „Zug ist bereits abgefahren“
Wer sich langfristig und konsequent auf das Thema Finanzierung vorbereitet und dann die passenden Projekte liefert, für den stellt die Finanzierung kein echtes Hindernis dar.
Aber die Finanzierung kostet Zeit und einige Mühe. Doch wer sich mit dem Thema Finanzierung beschäftigt, profitiert auch in anderer Hinsicht: Erstens wird er so nochmals gezwungen, seine Projekte sehr sorgfältig und kritisch zu prüfen. Zweitens scheitern viele potenzielle „Mitbieter“ an der Finanzierung – manchmal sogar noch nach dem Notarvertrag. Somit wird der Weg zum günstigen Kauf geebnet.
Finanzierungsbeispiel Handwerker
Aus der Vielzahl der Finanzierungsformen (Kreditlinienfinanzierung, private Cash-Investoren, Mixed-Joint-Venture-Finanzierungen, klassische Bankenfinanzierung) greifen wir uns zwei weitere Optionen exemplarisch heraus. Diese sollen den Beweis dafür erbringen, dass kreative Finanzierungsformen einen deutlich größeren Handlungsrahmen bieten. Und dass viele Projekte, die die eher traditionell und an festen Strukturen und Prüfprozesse ausgerichteten Banken ablehnen würden, ermöglicht werden könnten.
Das nachfolgende Beispiel stellt alternativ Finanzierungsmöglichkeiten anschaulich dar. Ein Handwerker will eine altbackene, etwas abgewohnte Eigentumswohnung in einem ansonsten soliden Haus erwerben, entweder direkt vom Alteigentümer oder aus einer Zwangsversteigerung. Wie kann dieser Handwerker, der kein Vermögen hat und der definitiv keinen Bankkredit bekäme, dennoch eine Immobilie finanzieren? Die meisten würden sagen, das sei unmöglich. Und doch ist es einfach – vorausgesetzt, man macht sich Gedanken und hat auch ein Händchen für das richtige Projekt. Die persönlichen Voraussetzungen des Handwerkers erlauben ihm nur die CashToday-Strategien: Die Wohnung wird saniert/renoviert und anschließend wieder verkauft. Zwei der möglichen Wege, dieses Ziel zu erreichen, werden nachfolgend beschrieben.
Finanzierung 1: Joint Venture
Unser Handwerker sucht sich für sein Projekt einen Partner für ein Joint Venture. Grundprinzip hierbei ist: Der Handwerker übernimmt die gesamten Sanierungs- und Renovierungsarbeiten und kümmert sich um den Wiederverkauf. Der Joint-Venture-Partner (etwa ein Makler) übernimmt den gesamten Finanzierungspart und einige organisatorische Dinge.
Die Wohnung an einem wertbeständigen Standort wird im Herbst günstig für 50.000 Euro gekauft, über den Winter durch den Handwerker saniert. Der voraussichtliche Kaufpreis an einen Eigennutzer oder Anleger wird für das Frühjahr auf mindestens 120.000 Euro geschätzt. Eigentümer laut Grundbuch wird der Handwerker, der Joint-Venture-Partner bekommt für seinen Finanzteil einen Grundschuldeintrag. Da der Handwerker in diesem Beispiel kein Geld für Material hat und auch eine angemessene Entlohnung verlangt, werden diese Kosten ebenfalls vom Finanzierungspartner getragen.
Für das nächste Projekt benötigt er vielleicht noch Finanzierungshilfe, doch ab dem übernächsten Projekt ist er in der Lage, eine günstige Bankfinanzierung zubekommen.
Die Geschäftsstruktur könnte wie folgt aussehen: Kaufpreis plus alle Nebenkosten plus 15.000 Euro Materialkosten plus 10.000 Euro Grundeinkommen für Handwerker werden vom Finanzpartner getragen. Hierfür erhält er vier Prozent Initialpauschale sowie einen Zins von 15 Prozent p.a. auf das eingesetzte Kapital, voraussichtliche Projektlaufzeit ist rund ein halbes Jahr. Der Handwerker hat alle Materialien abge-deckt und ist für die Zeit des Winters gut mit Arbeit und ei-nem Grundeinkommen von Seiten des Finanzierers versorgt. Nach Verkauf des Objekts im Frühjahr wird der Gewinn aus dem Projekt nach Abzug aller Kosten (Material, Handwerker- und Arbeitskosten, Zinskosten etc.) zu 50 Prozent geteilt. Die Gesamtrechnung sieht wie folgt aus:
Der Handwerker hat zusätzlich zu seinem Grundeinkommen in Höhe von 10.000 Euro 13.728 Euro verdient. Wenn der Handwerker clever ist, wird er dieses Geld nicht ausgeben, sondern wieder für sich wirtschaften lassen. Für das nächste Projekt benötigt er vielleicht noch Finanzierungshilfe, doch ab dem übernächsten Projekt ist er in der Lage, eine günstige Bankfinanzierung zu bekommen. So wachsen Gewinne, Vermögen und Aktionsmöglichkeiten, bis er eines Tages gegebenenfalls so viel Kapital hat, dass er langfristiger planen kann, also von der CashToday- zu einer CashTomorrow-Strategie wechseln und sich ein eigenes kleines Immobilienportfolio aufbauen kann.
Bauen sich Investoren ein kleines Immobilienportfolioauf, so sind die ersten Finanzierungen oft recht einfachzu bewerkstelligen.
Der Finanzierer verdient rund 23.273 Euro in sechs Monaten bei geringem Arbeitseinsatz und hoher Sicherheit. Er ist durch einen Grundschuldeintrag abgesichert, und die Wohnung wurde mit einem deutlichen Preisabschlag zum Markt erworben. Wichtig für ihn sind die Vertrauenswürdigkeit und Sachkenntnis seines Joint-Venture-Partners. Er selbst hätte weder die Zeit noch das Interesse, solch eine einzelne Wohnung zu akquirieren und die Arbeiten selbst zu organisieren. Doch seine Beschränkung auf die Finanzierung ist ein überschaubarer Aufwand mit gutem Gewinn. Und selbst wenn der Handwerker aus irgendeinem Grund aus dem Projekt aussteigen würde, hat der Investor den Substanzwert als Sicherheit, und (eine passende vertragliche Gestaltung vorausgesetzt) es würde sogar der Gesamtgewinn an ihn gehen.
Finanzierung 2: Hartgeldverleih
Die Finanzierung könnte aber über einen Hartgeldverleiher realisiert werden. Hartgeldverleiher finanzieren Kurzfristprojekte, meistens im Gewerbeimmobiliensektor. Sie werden in der Regel nicht Equity-Partner. Sie verleihen Geld aus eigenen Beständen oder vermitteln Geldmittel Dritter. Typischerweise werden auch hier vier Prozent Initialgebühr gezahlt, die Zinssätze liegen deutlich über denen der Banken, meist bei sieben bis 25 Prozent.
Der Vorteil für unseren Handwerker wäre, dass er zwar 100 Prozent des Gewinnes behalten könnte, jedoch würde er mehr Zinsen zahlen und das volle Risiko tragen, wenn sich die Wohnung nicht so schnell wie geplant verkaufen ließe. Es stellt sich die Frage, zu welchen Bedingungen eine Finanzierung zugestanden kommen würde, denn er stellt dem Hartgeldverleiher ja kein Haftungskapital zur Verfügung (zum Beispiel den eben erwähnten Eintrag einer Grundschuld ins Grundbuch).
Die Übergangsfalle bei der Finanzierung
Neben diesen zwei Wegen gibt es eine Reihe weiterer Finanzierungsformen, die je nach Strategie, Projekt und persönlichen Voraussetzungen geprüft und angewendet werden können. Wichtig ist, zu erkennen, dass es verschiedene Wege gibt und dass Finanzierungsinstrumente kreativ kombiniert und angewendet werden können. Wenn im vorangegangenen Beispiel eine Finanzierung möglich ist, so ist dies bei richtiger Vorbereitung und mit passenden Projekten/Partnern auch für viele andere Projekte mit besseren Voraussetzungen möglich.
Egal, wie viel Vermögen Sie besitzen, die falsche Portfoliostruktur und die aus Bankensicht nicht ausreichende Wirtschaftlichkeit nach Risikobetrachtung können weitere Finanzierungen unmöglich machen.
Bauen sich Investoren ein kleines Immobilienportfolio auf, so sind die ersten Finanzierungen oft recht einfach zu bewerkstelligen. Ab Überschreitung eines bestimmten Portfoliovolumens wird jedoch (recht unabhängig vom persönlichen Vermögensstand und der zu erwerbenden neuen Immobilie) eine Finanzierung deutlich teurer und meist sogar ganz unmöglich. Das bezeichnet man als Übergangsfalle, denn nun ändert sich die Sichtweise der Banken auf den Investor und das Immobilienportfolio radikal. Die Schwelle des Übergangs von der personenorientierten Banken bewertung zur portfolioorientierten Bankenbewertung liegt typischerweise bei 500.000 bis 750.000 Euro Portfoliovolumen. Ein Immobilienbestand sollte also von Anfang an bestimmten Kriterien entsprechen, und jede neue Immobilie sollte auch zu diesem Portfolio passen. Typische Messgrößen von Banken sind in diesem Zusammenhang der sogenannte Kaltmietabschlag in Höhe von 25 Prozent, ein positiver Cashflow nach der 8er-Annuität sowie sogenannte Klumpen- bzw. Kettenrisiken.
Foto: SARINYAPINNGAM
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von Jörg Winterlich
Jörg Winterlich, Management Consultant, ist ehemaliger Gründer und Vorstand der FlowFact AG. 2007 verkaufte er seine Anteile und tätigt heute private Immobilieninvestments, berät Unternehmen und gibt Trainings zu den Themen Immobilieninvestment, finanzielle Denk- und Handlungsmuster sowie Persönlichkeitsentwicklung. Die vergangenen zwei Jahre verbrachte er häufig bei Experten und Trainern insbesondere in Kanada und den USA. Seit Kurzem bietet er das Private Immobilien-Investment-Training an.